Tantiemevorschuss als verdeckte Gewinnausschüttung

erstellt am 27.08.2004 von Harald Miltz


Der BFH setzt die Serie seiner Grundsatzentscheidungen zur Tantieme des Gesellschafter-Geschäftsführers (GGf) einer GmbH fort. In einer aktuellen Entscheidung hat er sich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen Vorschüsse auf eine Gewinntantieme steuerlich wirksam sind (BFH 22.10.03, I R 36/03).

Sachverhalt
Den beiden GGf einer GmbH stand neben einem Festgehalt auch eine Gewinntantieme zu. Nach den Anstellungsverträgen war die Tantieme einen Monat nach der Genehmigung des Jahresabschlusses auszubezahlen. Allerdings konnten die GGf nach den getroffenen Vereinbarungen auch schon während des Geschäftsjahres angemessene Vorschüsse auf die Tantieme verlangen. Nähere Vereinbarungen hierzu wurden nicht getroffen; im Übrigen wurden die Vorschüsse unverzinslich ausbezahlt. Das FA erkannte die Vorschusszahlungen nicht als rechtmäßig an und sah in der Unverzinslichkeit eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Der BFH hat die Auffassung des FA im Kern bestätigt.

Anmerkungen
Der Anspruch auf eine Gewinntantieme entsteht mit dem Ende des Wirtschaftsjahres und wird mit der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig. Zwar können die GGf vom Grundsatz her bereits vor diesem Zeitpunkt angemessene Vorschüsse auf die Tantieme verlangen, allerdings müssen dann die Voraussetzungen und die Zeitpunkte der vereinbarten Vorschusszahlungen im Einzelnen klar und eindeutig im Voraus festgelegt werden. Es genügt nicht, den GGf einfach das Recht einzuräumen, angemessene Vorschüsse verlangen zu können. Denn dann würde es allein der freien Entscheidung der GGf obliegen, wann und in welcher Höhe sie die Vorschüsse abfordern.

Es wäre deswegen im Streitfall erforderlich gewesen, die Voraussetzungen und die Zeitpunkte der vereinbarten Vorschusszahlungen im Einzelnen festzulegen, beispielsweise durch die betragsmäßige Orientierung an im Laufe des Wirtschaftsjahres vorgenommenen Zwischenabschlüssen oder an entsprechenden Gewinnprognosen. Da es daran gefehlt hat, hat das FA in dem Verzicht auf eine angemessene Verzinsung zurecht eine vGA gesehen. Hinsichtlich der Höhe der vGA ist davon auszugehen, dass sich die GmbH und der Gesellschafter im Zweifel die Spanne zwischen banküblichen Soll- und Habenzinsen teilen.

Ob die Verzinsung eines Vorschusses auch dann notwendig ist, wenn die Vereinbarungen zwischen der GmbH und ihren GGf den genannten Anforderungen standhalten, hat der BFH allerdings offen gelassen.

Praxishinweise
Auch wenn das Besprechungsurteil im konkreten Fall für die GGf nachteilig ist: Insgesamt ist aus den jüngsten Urteilen des BFH eine Tendenz ersichtlich, Vereinbarungen zwischen der GmbH und ihren GGf vom wirtschaftlichen Gehalt her anzuerkennen, solange die erforderlichen Formalien eingehalten werden. Nur in Ausnahmefällen greift der BFH im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung in die Rechtsbeziehungen zwischen GGf und Gesellschaft ein. In diesem Zusammenhang muss für die Beurteilung der Angemessenheit der Gewinntantieme insbesondere die so genannte 50-Prozent-Grenze beachtet werden. Danach darf die allen GGf zusammen zugewendete Tantieme maximal 50 Prozent des Jahresüberschusses vor Tantieme und vor Ertragsteuern, aber nach Festvergütung betragen (BFH 4.6.03, BFH/NV 03, 1501). Die so genannte 75:25-Prozent-Relation zwischen festen und variablen Gehaltsbestandteilen ist dagegen zuletzt aufgeweicht worden. In seiner Entscheidung vom 27.2.03 (BFH/NV 03, 1346 u. 1388) hat der BFH Abweichungen von dieser Aufteilung zugelassen, wenn die Ertragslage der GmbH starken Schwankungen unterliegt. Dies dürfte bei den meisten GmbHs der Fall sein (vgl. Pflüger, GStB 03, 437).

Eine Gewinntantieme kann allerdings - aus der Natur der Sache heraus - ihrer Höhe nach erst dann abschließend feststehen, wenn der Gewinn ermittelt ist. Entsprechend kann eine Tantieme auch erst nach diesem Zeitpunkt ausgezahlt werden. Wenn eine frühere, eventuell teilweise Auszahlung der Tantieme angestrebt wird, muss zwingend eine detaillierte Gewinnprognose oder gar ein aufwendiger Zwischenabschluss zu einem im Voraus im Anstellungsvertrag bestimmten Zeitpunkt erstellt werden. Ob die Vorschusszahlungen diesen Aufwand lohnen, muss jeweils im Einzelfall entschieden werden.

M.E. ist es regelmäßig sinnvoller, wenn die GmbH ihrem GGf ein Darlehen gewährt, falls dieser einen Liquiditätsengpass überbrücken muss. Insoweit enthält das Urteil eine interessante Aussage: Die Zinsen, die auf ein solches Gesellschaftsdarlehen vom GGf zu entrichten sind, können sich an dem Mittelwert zwischen marktüblichem Soll- und Habenzins orientieren. Insofern ist die Vereinbarung eines kurzfristigen Darlehens, dessen Tilgung bei Fälligkeit der Tantieme durch Verrechnung erfolgt, sicher der am besten gangbare und wirtschaftlichste Weg, vorzeitig an dem in einer hohen Gewinntantieme zum Ausdruck kommenden Erfolg eines Unternehmens zu partizipieren.