Erbschaft- und Schenkungsteuer | Bundesverfassungsgericht schafft Klarheit bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer

erstellt am 18.02.2015 von Harald Miltz

Erbschaft- und Schenkungsteuer | Bundesverfassungsgericht schafft Klarheit bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Verschonungsregelungen im Erbschaftsteuerge­setz für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Gleichzeitig hat es deren weitere An­wendung bis zu einer Neuregelung angeordnet und den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung zu treffen.

Zwar liegt es im Entscheidungsspiel­raum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in perso­naler Verantwortung geführt werden, zur Sicherung ihres Bestands und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steu­erlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist je­doch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittle­rer Unternehmen hinausgreift, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen. Sie bedarf insbesondere beim Über­gang großer Unternehmensvermö­gen der Korrektur.

Ebenfalls unverhältnismäßig sind die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermö­gens mit einem Verwaltungsvermö­gensanteil bis zu 50 %. Nach den Ausführungen des Bundesfinanz­hofs in seinem Vorlagebeschluss weisen weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Be­schäftigte auf. Betriebe können da­her fast flächendeckend die steuerli­che Begünstigung ohne Rücksicht auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen beanspruchen, obwohl der mit dem Nachweis und der Kontrolle der Min­destlohnsumme verbundene Verwal­tungsaufwand nicht so hoch ist wie teilweise geltend gemacht wird. So­fern der Gesetzgeber an dem ge­genwärtigen Verschonungskonzept festhält, wird er die Freistellung von der Lohnsummenpflicht auf Betriebe mit einigen wenigen Beschäftigten begrenzen müssen.

Auch die Regelung über das Verwal­tungsvermögen ist nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Ziele des Gesetzgebers, nur produktives Vermögen zu fördern und Umgehun­gen durch steuerliche Gestaltung zu unterbinden, sind zwar legitim und auch angemessen. Dies gilt jedoch nicht, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis zu 50 % Ver­waltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung gelangt.

Die entsprechenden Vorschriften des Erbschaftsteuergesetzes sind inso­weit verfassungswidrig, als sie Ge­staltungen zulassen, die zu nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlun­gen führen. Die genannten Verfas­sungsverstöße haben zur Folge, dass die vorgelegten Regelungen insgesamt mit dem Grundgesetz un­vereinbar sind.

Fazit:

Wer einen Steuerbescheid hat, muss sich aufgrund des gesetz­lichen Vertrauensschutzes keine Sorgen machen. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht eine großzügige Übergangsfrist ausge­sprochen. Bis zum 30. Juni 2016 gilt das alte Recht grundsätzlich weiter. Alle bis dahin vom Finanzamt ent­schiedenen Übertragungen könnten deshalb begünstigt werden. In der Zwischenzeit muss der Gesetzgeber allerdings Neuregelungen schaffen, die auf den heutigen Tag zurückwir­ken können. Das Gericht erlaubt dem Gesetzgeber, im Falle einer ex­zessiven Ausnutzung der Begünsti­gungen Unternehmensübertragungen ab heute zu belasten.