Abgabenordnung -> Festsetzungsfrist bei Antragsveranlagungen i.S. des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG

erstellt am 06.05.2011 von Harald Miltz

Sind Arbeitnehmer dazu berechtigt, sofern sie nicht vorher vom Finanzamt zur Abgabe aufgefordert werden, ihre Einkommensteuererklärung bis zum Ablauf des siebten Jahres nach dem Jahr der Steuerentstehung abzugeben? Oder gilt für sie nur die vierjährige Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 1 AO?
Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass die dreijährige Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO auch für Antragsveranlagungen nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG gilt. Aufgrund dessen gilt eine siebenjährige Festsetzungsfrist.

Im vorliegenden Fall erzielte die Klägerin lediglich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG und war nur auf ihren Antrag hin, sprich durch Abgabe einer Steuererklärung, zu veranlagen. Im Januar des Jahres 2008 reichte sie ihre Ein-kommensteuererklärung für das Kalenderjahr 2003 ein. Die Veranlagung der Klägerin lehnte das Finanzamt ab, mit dem Hinweis auf die inzwischen verstrichene vierjährige Verjährungsfrist. Das Finanzgericht kam jedoch zu dem Schluss, dass die Festsetzungsfrist für Antragsveranlagungen 2003 erst am 31.12.2010 endet.

Der 10. Senat des FG Baden-Württemberg legt die Vorschrift des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO verfassungskonform dahingehend aus, dass ebenfalls für Antragsveranlagungen die vierjährige Festsetzungsfrist erst nach Ablauf von drei Jahren zu laufen beginnt, falls nicht bereits schon vorher eine Steuererklärung abgegeben wurde. Andernfalls käme es zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen, die verpflichtet sind, eine Steuererklärung abzugeben, und solchen, die nur auf ihren Antrag hin veranlagt werden.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Urt. v. 28.2.2011, Az. 10 K 3092/08,
Revision eingelegt, BFH: VI R 16/11; VI R 53/10; VI R 77/10

Anmerkungen:

Der 4. Senat des FG Baden-Württemberg wies letztes Jahr eine entsprechende Klage auf Durchführung einer Antragsveranlagung mit der Begründung ab, die Anlaufhemmung gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO greife bei Antragsveranlagungen nicht. Das BMF hat in Nr. 3 AEAO zu § 170 deutlich gemacht, dass die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO nach seiner Überzeugung nicht greift, sofern der Steuerpflichtige berechtigt jedoch nicht verpflichtet ist, eine Steuererklärung abzugeben, wie z. B. bei der Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG.


Es bleibt abzuwarten, wie der BFH im Revisionsverfahren entscheiden wird.